Feldwege sind Gemeinschaftseigentum

Wenn kümmerts schon!

Man hat sich dran gewöhnt. Die Felder werden immer größer und die Landschaft zur weiträumigen „Produktionsfläche“. Von oben gesehen, so erzählte ein Hubschrauberpilot aus Fritzlar kürzlich, wird das Landschaftsbild Nordhessens von Jahr zu Jahr eintöniger.

Wo sind sie geblieben, die Landschaftselemente, die neben Äckern und Grünland unsere Agrarlandschaft ausmachen?

Umgeackert

Meist sechs Meter, selten weniger als vier Meter, oft 12 m Breite haben die Feldwege in Nordhessen. Geht man heute durch die Landschaft, so findet man die Wege oft nur noch auf dem Breitenformat von 2,50 m. Gerade so breit, dass der Traktor noch fahren kann. In jedem Jahr werden sie einen Streifen kleiner. Mancherorts sind sie ganz verschwunden. Ein Jammer!

 

Feldwege sind öffentliches Eigentum.

Ohne Genehmigung des Eigentümers, das ist in der Regel die Kommune, und der Unteren Naturschutzbehörde, dürfen Wege nicht umgepflügt werden. Seit Jahrzehnten, aber verstärkt in den letzten Jahren, geschieht dies öffentlich. Und niemand protestiert.

 

Feldwege sind wertvoller Lebensraum

für Hunderte von Tier- und Pflanzenarten. Zur Umsetzung der hessischen Biodiversitätsstrategie sind sie unverzichtbar. In der intensiv genutzten Agrarlandschaft bilden sie oft die einzigen Rückzugräume und das einzige Nahrungsangebot für die Arten des Offenlands. Die Feldlerche beispielsweise, ein selten gewordener Vogel, könnte im Ackerrain vielleicht überleben. Auch die Rebhühner brauchen Feldränder, wenn sie nicht aussterben sollen. Ihre Küken sind auf Insekten angewiesen. Die finden sie aber nur dort, wo auch die entsprechenden Ackerwildkräuter sprießen. Wie will man dem Thema „Insektenschwund“ begegnen, wenn nicht hier?

 

Alle kennen das Problem

Gibt man bei Google das Stichwort „umgepflügte Feldwege“ ein, erhält man über 5000 deutsche Einträge. Die verantwortlichen Politiker kennen den Sachverhalt seit Jahrzehnten. Im Jahr 1989 (!) berichtete bspw. der Spiegel über das „Phänomen der verschwundenen Wege“. Auf bundesweit 75000 ha widerrechtlichen Umbruch öffentlicher Fläche kamen die Hochrechnungen damals. Das waren vor der Wiedervereinigung 1/5 der Fläche aller vorhandenen Naturschutzgebiete Westdeutschlands. Mittlerweile hat sich das Problem augenscheinlich weiter verschärft.

Was sagt der Bauernverband?

Hier hört man Unterschiedliches. Im Landwirtschaftlichen Wochenblatt (14/2017) wurde den Mitgliedern der Umbruch als „Rationalisierung und „Kosteneinsparungspotential“ mit positiven Umwelt- und Klimaeffekten empfohlen, weil damit Treibstoff und damit Emissionen eingespart würden. Statt der Wiederherstellung von Biotopstrukturen könne man auch nachträglich durch Nutzungsvereinbarungen mit der Gemeinden den Umbruch legalisieren. Sogar EU-Agrarsubventionen wären dann auf diesen Flächen beantragbar. Allerdings sind Feldrain und -weg schon an sich als geschützte Landschaftselemente förderfähig und müssen nicht zum Erhalt von Subventionen zerstört werden.

Aber es gibt auch andere Töne: Norbert Knapp, der Vorsitzender des Regionalbauernverbandes spricht klar vom „Fehlverhalten einzelner Mitglieder“, das man nicht rechtfertigen könne und das auch die Berufvertretung nicht decken werde.

Gibt es einen Handlungsmöglichkeiten der Behörden?

Fast 100% aller landwirtschaftlich genutzten Flächen erhalten Direktzahlungen aus EU – Mitteln. Zur Ermittlung der Größen gibt es regelmäßig aktualisierte Luftbilder. Diese werden mit den Katasterkarten abgeglichen. Daher könnten sich die Landwirtschaftbehörden prinzipiell einen Überblick verschaffen. Sie könnten – prinzipiell- eingreifen. Es passiert hier wenig.

Die moralische Schieflage

Leider wird die „Grenzüberschreitung“ mit dem Pflug selten von den Beteiligten als Unrecht verstanden. Alle machen es doch so! Und der Nutzen eines Weges, eines Rains ist nicht allen einsichtig, es ist eher ein Ort, an dem Unkraut wächst.

Unsere Agrarkultur hat leider hier eine moralische Schieflage. Wenn überall nur das Gesetz des Stärkeren gilt, das „wachse oder weiche“,bleibt die Natur „auf der Strecke“. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns allerdings, dass Grenzsteinversetzen immer auch unter moralischen Aspekten gesehen werden muss.

Die Bibel spricht vor 2500 Jahren (5. Buch Mose 27, 17): Verflucht sei, wer seines Nächsten Grenze verrückt! Dem „Grenzsteinentferner“ in der Antike wurden grausame Strafen angedroht: dem einen wurde die Hand abgehackt, dem anderen, nachdem er bis zum Hals in die Erde eingegraben worden war, sogar der Kopf abgepflügt. Im Mittelalter gab es die sog. "Peinliche Halsgerichtsordnung" von 1532 (Kaiser Karl V. 1519-1566).Sie drohte als Regelstrafe für denjenigen, "der böswillig Marksteine verändert oder abtut", eine peinliche Leibesstrafe, das meint eine körperlichen Züchtigung an.

Heute wird glücklicherweise niemand mehr „peinlich“ bestraft. Aber es gibt immer noch den § 274 des Strafgesetzbuchs: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen Grenzstein (..) in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt. Der Versuch ist strafbar.“

Das Recht schützt die Natur

Regeln zum Schutz von Grenzen waren und sind nicht umsonst so streng. Grenzen schützen. Sie schützen den Schwächeren vor dem Stärkeren. Die Natur als der Schwächere braucht diesen Schutz. Das Umpflügen von Wegen muss gestoppt werden.

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